Aus Ausgabe 4/98 (Dezember)

Zivildienst ist Kriegsdienst


In vielen TKDV-Prozeßerklärungen wird zwar die Einplanung von Zivildienstleistenden in militärische Strategien im Kriegsfall hervorgehoben, doch meißt kommt die ebenso wichtige Komponente des "Zivildienstes", die in der Aufrechterhaltung der Bundeswehr als allgemeine Wehrpflichtarmee eben schon in Friedenszeiten besteht, zu kurz.

Wer den "Zivildienst" ableisten möchte, sollte sich auch darüber informieren, was dies für ein Dienst ist, bzw. welche Funktionen er in erster Linie erfüllt.

Die folgenden Zeilen sollen hierüber einen ersten Überblick verschaffen. Weitere infpormationen können bei Bedarf in der (T)KDV Beratungsstelle eingeholt werden.

Der "Zivildienst" wurde als "Ziviler Ersatzdienst" am 13.01.1960 durch das "Gesetz über den Zivilen Ersatzdienst" eingeführt. Den "Zivilien Ersatzdienst" benannte man dann 1973 mit dem "Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer", kurz ZDG, in "Zivildienst" um.

Bereits Jahre vorher - 1956 - wurde mit dem Wehrpflichtgesetz (WPflG) dei Bundeswehr als allgemeine Wehrpflichtarmee aus der Taufe gehoben. Nun war es möglich, aufgrund des §1 WPflG jeden männlichen (West-)Deutschen ab dem 18. Lebensjahr zur Bundeswehr einzuberufen. Doch enthält das Grundgesetz in Art.4 Abs.3GG das Grundrecht, nicht gegen das eigene Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden zu können. Hierauf muß sich übrigens jeder berufen, der als KDVer anerkannt werden möchte.
Doch warum gibt es überhaupt den "Zivildienst" und warum wurde er erst vier Jahre nach der Grüdndung der Bundeswehr eingeführt?

Hierzu sollte man die Anzahl der jeweiligen Kriegsdienstverweigerer bzw. derer, die einen Antrag auf Anerkennung als KDVer stellten, in den Jahren 1958 bis 1961 beachten. Es zeigt sich nun, daß kurz nach Gründung der Bundeswehr eine sehrr geringe Anzahl von jungen Männern überhaupt einen Antrag auf KDV stellten (1958: 2447). Allerdings stiegt die Anzahl relativ stark an (1959: 3257) und erreichte schon im Jahre 1960, also bei der Einführung des "Zivildienstes" einen relativ hohen Wert (5439 = Steigerung um 122%(!) im Vergleich zu 1958).

Nun muß man wissen, daß die anerkannten KDVer bis zur Einrichtung des Zivildienstes keinerlei Dienst für das Vaterland zu leisten hatten! Das heißt laut WPflG wäre sie zwar zu einem "Zivilen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr" (oder zu einem "waffenlosen Dienst in der Bundeswehr"!) verpflichtet gewesen. Da jedoch die verwalktungsmäßigen Voraussetzungen für die Ableistung eines "Zivilien Ersatzdienstes" bis 1960 noch nicht geschaffen waren, konnten sie nicht einberufen werden und der Staat sie somit (zunächst!) zu keinem Dienst verpflichten.

Theoretisch wäre es auch heute möglich, daß anerkannte KDVer überhaupt keinen Dienst zu leisten brauchen - gäbe es nicht die Bestimmung in §3 WPflG i.d.F. von 1995 (bzw. in §25 WPflG i.d.F. von 1956) und in §1 KDVNG i.d.F. von 1983 nach der anerkannte KDVer "Zivildienst" (bzw. einen "Zivilen Ersatzdienst") zu leisten haben. Denn in Art.12a Abs.2 GG heißt es "wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden". Kriegsdienstverweigerer zu einem "Zivildienst" zu verpflichten ist also nicht zwingend vorgeschrieben!.

Praktisch allerdings ergab (und ergibt) sich durch eine Befreiung von KDVern für jede Art von Dienst für Vater Staat folgendes Problem: Natürlich frustrierte das diejenigen Wehrpflichtigen, die bei Wind und Wetter ihren Dienst bei der BW absolvieren mußten. Sie fühlten sich ungerecht behandelt - wegen der fehlenden "Wehrgerechtigkeit" - und ein weiterer Anstieg derjenigen, die überhaupt keinen Dienst hätten leisten zu brauchen und bei gleichzeitigem Personalmangel bei der BW war abzusehen. Daraufhin entschied man sich also, den Wehrersatzdienst bzw. den "Zivildienst" einzuführen. Diesen Dienst mußten nun ab Jahrgang 1937/38 alle anerkannten KDVer über sich ergehen lassen, also auch die, die bisher aufgrund fehlender verrwaltungsmäßiger Voraussetzungen zu keinerlei Dienst verpflichtet waren.

Der "Zivildienst" diente also von Anfang an v.a. dazu, die sogenannte "Wehrgerechtigkeit" für die Soldaten in der BW herzustellen und somit dafür zu sorgen, die BW als eine Armee, die auf der allgemeinen Wehrpflicht gegründet ist, aufrecht zu erhalten.

Und diese Funktion erfüllte und erfüllt er vortrefflich. Denn schon im Jahre 1961 sank die Zahl der Antragsteller auf KDV raide ab (3804 = 30% Absenkung im Vergleich zu 1960) und Überschritt erst im jahre 1967 wiedre den Wert von 5000 Antragstellern. Somit war durch die Einführung des "Zivildienstes" die Gefahr des Personalmangels bei der BW und somit der Zusammenbruch des Systems der allgemeinen Wehrpflicht wegen einer rasch steigenden KDVer-Anzahl zunächst gebannt.

Genau diesen Zweck erfüllt der "Zivildinest" heute noch. Durch die Anerkennung als KDVer ist nur sicher gestellt, daß man nicht zu einem Kriegsdienst mit der Waffe verpflichtet werden kann. Jedoch kann man jederzeit zu einem Kriegsdienst ohne Waffe, der vor allem dazu da ist, daß die Bundeswhr als allgemeine Wehrpflichtarmee aufrecht erhalten wird, verpflichtet werden.

Nun darf man sich auch nicht dadurch täuschen lassen, daß der "Zivilidenst" vor allem im sozialen oder ökologischen Bereichen stattfindet. Er könnte ebenso- und dies praktisch schon heute - in der Landwirtschaf, in der BW-Verwaltung oder sogar in der Rstungsproduktion stattfinden. Theoretisch ist jeder Bereich denkbar, solange der anerkannte KDVer nicht direkt mit einer Waffe in Berührung kommt. Bei Einführung des WPflG war in §§25, 27 sogar wie schon erwähnt ein "waffenloser Dienst" in der BW für KDVer als Ersatz für den Wehrdienst möglich - wie er in der DDR bei den "Spartensoldaten" auch praktiziert wurde.

Der "Zivildienst" ist keineswegs ein sozialer Dienst, denn er hat eigentlich überhaupt nichts mit sozialer Tätigkeit zu tun! Der "Zivildienst" ist eben nur das Konstrukt, daß dazu dient, die schon erwähnte sog. "Wehrgerechtigkeit" für die Soldaten in der BW zu gewährleisten, damit diese dort nicht massenweise desertieren. Die gleiche Funktion erfüllen übrigens die Ersatzdienste für den Ersatzdienst, die nach §§14, 14a, 14b und 15a ZDG geleistet werden können. Im Grunde genommen trägt jeder "Zivildiensleistende" - der eher als "Zivilsoldat" bezeichnet werden sollte - dazu bei, daß die Soldaten in der BW in aller Ruhe das Töten von Menschen üben können und schließlich in ihren Auslandseinsätzen auch praktizieren können.

Es gibt keine Trennung des "Zivildienstes" vom Wehrdienst. Der "Zivildienst" ist bei einer allgemeinen Wehrpflichtarmee, wie sie in der BRD existiert, die Voraussetzung für den Zwangsdienst beim Milität. "Zivildienst" ist Kriegsdienst, nur ohne Waffe - und dies schon in Friedenszeiten!

Außerdem sind "Zivildienstleistende" mittels §79 ZDG sowie der sogenannten Notstandsgesetze im eigenen Land in militärische Planungen (sog. Gesamtverteidigung) eingebunden und müssen dann das Militär aktiv bei der Vernichtung von Menschenleben untertützen, wirken als billige Arbeitskräfte und somit als Jobkiller im sozialen und ökologischen Bereich und sind hier für zahlreiche Mißstände (mit-)verantwortlich.

(TKDV-Ini Leipzig)


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