Aus Ausgabe 4/98 (Dezember)

(Heeres-)Schule der Nation jetzt in Dresden


Seit über drei Jahren wird nun schon an der neuen Heeresschule in Dresden gebaut. Nun war der Tag der Eröffnungsfeier endlich herangerückt, den Militärs wie Presse spannungsgeladen erwartet hatten. Doch allen perfekten Vorbereitungen zum Trotz und obwohl die Dresdner Polizei bereits während der Feierlichkeiten des ersten Spatenstiches und beim Richtfest Gelegenheit genug hatte, den Umgang mit ungehorsamen Demonstranten zu üben - aus der ungestörten Traumveranstaltung wurde nichts.

Seit der Erbauung der militärischen Anlagen zu König Alberts Zeiten trägt das Gelände um die Marienallee im Norden Dresdens den Namen Albertstadt. Nachdem der Reihe nach alle Armeen dort ihre Zelte aufschlugen und wieder einrissen - zuvorletzt die Wehrmacht, abgelöst von der Sowjetarmee - zog nun am 14. September 1998 ein neuer Herrscher, Generalmajor Bernd Albert (!), und mit ihm die gesamte bisher in Hannover ansässige Offiziersschule des Heeres in die inzwischen unter Denkmalsschutz stehenden Biedermeiergebäude, die in den letzten Jahren um viele luxuriöse Neubauten ergänzt wurden.

Das Gelände erstreckt sich jetzt über 40 ha. Nun werden 300 Lehrer plus 1.100 Offiziersanwärter mit ihren blauen, grünen, roten Mützen, zumindest wenn mensch Herrn Rühe Glauben schenken mag, „das Stadtbild positiv beeinflussen“.

Wie gesagt, wurde nun am 14. September die Heeresschule mit viel Tamtam, Feierlichkeit und Zeremonie eröffnet. Dazu wurde Airbus-weise Prominenz eingeflogen. Botschafter, Generäle, Bischöfe, Wettinerchef Markgraf Maria Emanuel von Meißen als Vertreter des sächsischen Königshauses, Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU), Landesvater Kurt Biedenkopf und natürlich unser aller (ex-)Kriegsminister füllten die Ehrentribüne.

Doch gab es auch in diesem Falle Menschen, die diese kriegerische Selbstdarstellung und Demonstration militärischen Geltungsbedürfnisses als Provokation verstanden, und wenn schon nicht verhindern, wenigstens zu stören versuchten.

Ich könnte mit dem Morgen des 13. September beginnen, an dem meterweise farbnasse Transparente sämtliche Treppen und Geländer im obersten Stockwerk eines privaten Mietshauses garnierten, und damit den Aufgang zum Boden blockierten. Doch das ist, glaub ich, nur halb so wichtig, da die Militärs ja nicht auf eben diesen Boden wollten.

In der Nacht jedoch zogen dann vier Menschen, bewaffnet mit den inzwischen trocknen Transparenten, Schlafsäcken, Megaphon und Nervositätstabak los gen Albertstadt, zu einem Haus außerhalb des Bundeswehrgeländes, welches gerade restauriert wird und eingerüstet ist, strategisch günstig am Exerzierplatz, schräg hinter Ehrentribüne und Rednerpult und direkt gegenüber der Pressetribüne gelegen. Ein zu leicht beweglicher Schalter für die Sirene des Megaphons, der im Rucksack plötzlich den nötigen Impuls erhielt, hätte der Unternehmung fast das Genick gebrochen. Doch auch das SEK verschwindet wieder, wenn es nichts findet.

Ein klapperndes Gerüst über vier Stockwerke, eine offene Dachluke, dann bot schon das Dachgeschoß nicht nur die nötige Sicherheit, sondern auch noch `ne Menge Holzleisten zum Präparieren und Verstärken der Transparente.

Ein paar Stunden Schlaf waren drin, dann tönte schwungvolle Marschmusik. Ein Haufen Uniformierter trampelte gleichschrittigerweise blasend und stabschwingend über den Platz und probte xmalig mitreißende Rhythmen, die dann drei Stunden später denen um die Ohren geschmettert werden sollten, die die ehrenvolle Verantwortung dafür auf sich nehmen, uns vor dem großen bösen fremden Feind zu schützen.

Nach ausgiebiger Säuberung des Exerzierplatzes und ewigem chaotischem Gerenne war inzwischen auch die ganze Umgebung außerhalb des eingemauerten Geländes kunstrasenartig mit ‚Freunden und Helfern‘ übersät. Drinnen wurden Grauuniformierte und Rote, Blaue und Grüne Mützen in Reih und Glied um den Platz drapiert. Das Spiel des Windes mit deren Rockschößchen war, abgesehen von gelegentlichen Zuckungen, folgend auf diverse Kommandos, die einzige Bewegung in diesen Reihen.

Nach Ausschmückung des Platzes füllten sich Presse- und Ehrentribüne. Erwähnte Stimmungsmusik eröffnete schließlich die Inszenierung. Es sprachen diverse Leute: der Generalmajor Albert, Landesvater Biedenkopf, Oberbürgermeister Wagner wurde spaßigerweise vergessen und dann unser ehemaliger Verteidigungsminister Volker Rühe.

Kaum hatte dieser angesetzt, wurde es lebendig auf dem Dach besagten Hauses. Transparente wurden über das Gerüst gehängt, Knaller krachten, durch das Megaphon erklangen vor der Sirene ein paar strukturierte Kommentare zum Sinn dieser Aktion. Doch Rühe lehnte es ab, sich „...mit solchen Leuten minderen Geistes auseinanderzusetzen.“.

Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten räumten die Grünuniformierten doch ziemlich schnell. Während der Aktion und anschließender ausschweifender bürokratischer Umständlichkeiten bei der Verhaftung hatte Rühe leider nur noch halb so viel Presse (Kommentar eines Fotographen: „Was ist schon ein Minister gegen das hier!“). Daß dies wie immer nichts mit Interesse, sondern nur etwas mit Sensationsberichterstattung zu tun hatte, zeigte das Presseecho. Es tönte von „...linken Chaoten und Wehrdienstverweigerern, die Rühe torpedierten“ und „Protestanten“ (sic!).

Ihre Freiheit erlangten die Vier erst nach Sicherstellung Rühes in seinem Privatflugzeug nach Bonn. Die Anzeigen lauteten in willkürlicher Aufführung: Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole (§ 86a StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB).

Parallel zu dieser Aktion versuchten Menschen draußen vor verrammelten Toren zwar nicht zahlreich, aber enthusiastisch, die Heeresschule zu „sprengen“ - mit einer Gießkanne.

Die spirituellen Kräfte reichten zwar nicht aus, viel zu bewirken, aber die Polizei hatte zu tun, z.B. Saft- und Teeflaschen auf ihren möglichen Verwendungszweck als brennbare Wurf - bzw. Schlaginstrumente hin zu untersuchen.

(Ruth Dörfel)


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