Aus Ausgabe 4/98 (Dezember)

Besichtigung des Kreiswehrersatzamtes in Herford oder Sigmund Freud und der Pförtner.


Ursprünglich hätte am 16.9.98 der vierte Prozeßtermin gegen Christian Stracke in Sachen TKDV vor dem Amtsgericht in Herford stattfinden sollen. Dieser war jedoch am Freitag davor auf unbestimmte Zeit vertagt worden.

Dennoch fanden sich ca. 20 Menschen um 9.00 Uhr vor dem Amtsgericht ein, da nicht mehr alle im Vorfeld erreicht werden konnten. Wir beschlossen dann, kurzerhand die Gunst der Stunde zu nutzen, um dem Kreiswehrersatzamt einen Besuch abzustatten.

Um den Pförtner zu überrumpeln, ging einer von uns vor, ließ sich die Tür öffnen, Fuß rein stellen, und wir stürmten hinein. Daraufhin kam der Pförtner aus seinem Glaskasten und faselte: „Was ...was wird das denn hier? Wir sind doch alles Deutsche. Hier sind doch keine Ausländer!“. Wir waren erstmal Baff. Mit soviel Siegmund Freud hatte am frühen Morgen wirklich keiner von uns gerechnet. Auf die Gegenfrage, was er uns damit sagen wollte, kam nur noch unverständliches.

Nun machten wir uns an die Besichtigung der Büros und verteilten Flugblätter, störten Musterungen und ein Kriegsschauplatz aus Zinnsoldaten (echt Bundeswehr-Zinnsoldaten) ging zu Bruch. Irgendwann erschien der Amtsleiter hochroten Kopfes und wollte sich gleich schlagen, woran er dann doch durch seine Mitarbeiter gehindert wurde.

Wir verließen das Gebäude direkt nach der ersten Aufforderung, postierten uns dann aber noch mit Transpis vorm Eingang und verteilten weiterhin Flugblätter. Nach einer Weile kam auch schon die Polizei in Form eines Streifenwagens, dessen Besatzung von allen Anwesenden die Personalien überprüfen wollte. Christian versuchte vergeblich, eine Spontandemonstration anzumelden, was die Beamten mit der lustigen Begründung ablehnten, daß er dies bei der Polizei machen müßte.

Wir nutzten die sich entwickelnde Diskussion über Demonstrationsrecht und provokative Personalienkontrolle, um uns unkontrolliert vom Ort des Geschehens zu entfernen. (O-Ton des männlichen Beamten: „Wenn mir die Nase nicht paßt, habe ich das Recht einer Personalienfeststellung“).

Wir gingen dann noch zu einigen Schulen, um unsere Fluchtblätter an den Mann / die Frau zu bringen, und sind dann alles in allem gut gelaunt nach Hause gefahren, in der Hoffnung, einen möglichst schlechten Eindruck beim Kreiswehrersatzamt zu hinterlassen zu haben.

Einziger Wermutstropfen: Zur Ausmusterung wird es wohl nicht reichen.

(Christian)


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