Aus Ausgabe 3/98 (Oktober)

Sönke Müller im Arrest


Pünktlich zum internationalen Anti-Kriegstag am 1. 9. 1998 wurde es für Sönke ernst, die Bundeswehr erwartete sein Erscheinen in der Wulf-Isebrand-Kaserne in Heide. Etwas überstürzt rief daraufhin die frischgegründete Totigruppe ‚Die Desertöre‘ zu einer Demo in der Einfahrt der Kaserne auf, um dreierlei der Öffentlichkeit unter die Nase zu reiben: daß einerseits der 1. 9. kein gewöhnliches Datum ist (welches unpassenderweise auch noch als Einberufungstermin herhalten muß), daß andererseits längst nicht alle künftigen Mörder freiwillig die Kasernen betreten und zu guter Letzt, daß es nach vier Jahren Funkpause endlich wieder eine Gruppe aktiver Desertöre in Hamburg gibt, die in Zukunft tunlichst alle Totis im Hamburger Umland unterstützen werden.

Trotz der sehr kurzen Mobilisierungszeit und etwas mangelhafter Pressearbeit - immerhin waren fast noch Ferien - übertraf die Teilnahme mit ca. 30 Anwesenden aus der Szene und Sönkes persönlichem Umfeld unsere Erwartungen und es erschienen immerhin zwei längere Artikel in der tazhamburg und dem dortigen Lokalblatt.

Leider mangelte es etwas an Öffentlichkeit, die wir mit unseren Pappschildern und Transparenten ansprechen wollten, denn das Eingangstor war außer Sichtweite der nächsten Straße. Auch die Militärs waren von einem auffällige Desinteresse. Bis auf drei furchtbar hochdekorierte Offiziere, die uns am Anfang begutachteten, kümmerte man sich nur um die verteilten Flugis, die allen Rekruten sofort nach dem Betreten der Kaserne wieder abgenommen wurden.

Dafür erschienen zwei freundliche Kontaktbeamte und unterrichteten uns über die Unvereinbarkeit von Transparenten sowie ‚Schmierereien auf der Straße‘ mit der Institution der Spontandemonstration unter dem Hinweis, ganz Heide wüßte so wie so über uns Bescheid, da wir doch dick in der Zeitung stünden (Staun!!! Bis dahin wußten wir nur von der taz, mittlerweile gibt es jedoch schon eine richtige Artikelsammlung) und deshalb bräuchten wir zum Erreichen der Öffentlichkeit keine Transpis.

Nach dem üblichen Hin und Her einigte Mensch sich schließlich auf die Interpretation der Bullerei, entfernte alle politischen Äußerungen und fing an, Frisbee und Fußball auf der Einfahrt zu spielen. Am Ende, als es kalt wurde, übergab sich dann Sönke unter lautstarkem Trillergepfeife mit eineinhalbstündiger Verspätung den Militärs. Diese schienen aufgrund der Presseberichte und der Demo gut vorbereitet. Nach der üblichen mehrfachen Verweigerung aller Befehle nahm dann KP-Chef Säkel Sönke vorläufig fest.

Am nächsten Tag folgte das Verhör durch Hr. Säkel, später durch den Bat.Komm. Nötzig. Nachdem auch dies nicht zum gewünschten Erfolg führte, beantragte dieser 21 Tage Arrest. Noch am selben Tag kam das Urteil: 3 Tage Arrest auf 5 Monate Bewährung, da Sönke das Funktionieren einer Armee noch nicht begriffen habe!
Hr. Säkel bestand jedoch wiederum auf das Einkleiden und die datentechnische Erfassung, so daß nun das Urteil der 9. Kammer des Truppendienstgerichtes Nord (HH) die 21 Standardtage betrug. Bis zum heutigen Tag hat Sönke die Begründung des Urteils jedoch entgegen den Versprechungen des Hr. Nötzig nicht schriftlich zu Gesicht bekommen. Dies mag an der Aussage seines Bat.Komm.‘s liegen, der bei seiner Vernehmung beteuerte, das Gericht werde bestimmt kein Exempel statuieren, um andere Soldaten abzuschrecken. Genau darauf läuft aber die Sönke vorgelesene Begründung hinaus.

Inzwischen sind einige Aktionen angelaufen: Es wird von uns aus versucht, die Presse auf diesen Fall aufmerksam zu machen, im alternativen Hamburger Lokalsender FSK lief ein Beitrag zum Thema.

Da die Bundeswehr in Heide gerade eine martialische Waffenschau mit großen und kleinen Panzern, Kampfhubschrauber usw. veranstaltet, haben wir auch dort einmal vorbeigesehen ... Als die Bundeswehr die Auswüchse dieser kritischen Öffentlichkeit bemerkten, machte sich leichte Nervosität breit, bis einige jüngere BesucherInnen den Soldaten einen Hinweis auf die „Wehrkraftzersetzer“ gaben. Wir wurden daraufhin „freundlich“ des Geländes verwiesen.

Sönke selber geht es relativ gut, die Schikanen seiner Wärter hält sich in Grenzen (was natürlich den Gesamtvorgang nicht weniger schlimm macht). So wurden beispielsweise Briefe mit dem Absender „Sönke Müller - z.Zt. im Arrest -“ zwei Tage zurückgehalten, darunter auch einer an Sönkes Anwalt und hin und wieder muß er „Mordgeräte“ wie Schnürsenkel und Kugelschreiber abgeben.

Am 16. 9. 1998 erschien dann ein Herr von der Polizei, der im Auftrag der StA Itzehoe Sönke befragen wollte. Sönke verweigerte zunächst einmal jede Aussage und verlangte mit seinem Anwalt zu sprechen. Seit dem 3. 9. und noch mindestens bis zum 23. 9. 17.00h (wahrscheinlich auch noch länger, denn es gibt da ja erfahrungsgemäß noch die zweiten und dritten 21 Tage) wartet er auf Karten, Briefe, Päckchen und Frachtpost mit allem womit er sich nicht umbringen kann.

Eure Desertöre Hamburg

 

Laßt die Gefangenen nicht allein... Also, schreibt massenhaft an:

Sönke Müller
z.Zt. Arrestzelle
15./LwAusbRgt 1
Hamburger Str. 162
25746 Heide
Tel.: 0481/900 -307, -308, -300 (BatKom) -0 (Zentrale)

oder nehmt Kontakt auf über:

Die Desertöre
Nernstweg 32
22765 Hamburg
e-mail: desertoere@gmx.de

Ebenfalls dürften sich folgende Stelle über Briefe und Anrufe freuen:

Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Basteistr. 40
53173 Bonn
Tel.: 0228/824224
Fax: 0228/824283

Truppendienstgericht Nord (HH)
9. Kammer
Mittelweg 110
20 149 Hamburg
Vorsitzender Richter: D.Kaske
Tel.: 040/4150-0
Fax.: -589


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