Aus Ausgabe 3/98 (Oktober)

Hexenjagd auf Mitarbeiter der Ohne Uns-Redaktion


Totalverweigerer sind gemeingefährliche Serientäter. Das ist ja allgemein bekannt. Aber keine Angst: die Justizbehörden in Amberg sind beispielgebend für unerschrockene Verfolgung organisierter Kriminalität. Da werden auch schon mal wild Haftbefehle ausgestellt, Ermittlungsverfahren und Überwachungsmaßnahmen eingeleitet. Mit dem Gesetz freilich kann mensch es da nicht immer so ganz genau nehmen; beim Hobeln fallen halt auch Späne...

Nach der Austauschaktion in Pfreimd, bei der sich der Totalverweigerer Michael Fücker mit dem Einberufungsbescheid von Jörg Eichler vor der Kaserne gestellt hatte, daraufhin vorläufig festgenommen wurde und einen Tag lang in der Arrestzelle verbrachte, blieb es zunächst zwei Wochen lang völlig ruhig.

Doch diese Ruhe täuschte ungemein: am 20. August bekam Jörg Besuch. Polizei und Feldjäger stürmten überfallkommandoartig im Treppenhaus empor. Doch Pech für sie: keiner zu Hause, jedenfalls nicht Jörg. Der hatte den knappen Vorsprung von 1 1/2 Etagen im Treppenhaus genutzt, um mit klappernden Zähnen auf dem Dachboden des Mietshauses sitzend auf etwas weniger dicke Luft zu warten.

Die Polizei überzeugte sich von Jörgs fehlender Anwesenheit und verschwand unter Mitteilung darauf, daß ein Haftbefehl gegen ihn vorliege. Die Häscher sind nun bereits zur ganztägigen Observation seines Wohnsitzes übergegangen – bisher erfolglos.

Jörg legte gegen den vom AG Amberg bereits am 11.8.98 ausgestellten Haftbefehl wegen Fluchtgefahr Haftbeschwerde ein, die nunmehr vom LG Amberg verworfen wurde. Seine Entscheidung stützt das LG im wesentlichen auf „die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe“ und das „Verhalten des Beschuldigten, seinen tatsächlichen Aufenthalt gegenüber den Behörden der Bundeswehr zu verschleiern“ (was kein Haftgrund, sondern notwendiger Bestandteil von Fahnenflucht ist). Das Vorbringen seitens Jörg, er werde sich einem Strafverfahren nicht entziehen, wird glatt als „Zweckbehauptung“ abgetan. Hiergegen wird jetzt mit der weiteren Beschwerde vorgegangen, über die das OLG Nürnberg zu befinden hat.

Auch gegen Michael ist von der StA Amberg ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Nicht, wie damals in der Sächsischen Zeitung zu lesen war, wegen „Arglistiger Täuschung“ (Anm. d. Red.: das gibt’s im Strafrecht überhaupt nicht) und „Erschleichung von Leistungen“ – „Schließlich hat der Mann bei uns gegessen“, so Oberstleutnant Wozniak vom zuständigen Wehrbereichskommando – sondern wegen Beihilfe zur Fahnenflucht in Verbindung mit Wehrpflichtentziehung durch Täuschung, mittelbarer Falschbeurkundung, Betrug und Hausfriedensbruch (!).

An der Hexenjagd beteiligt sich sogar die TU Dresden, an der Mischael Soziologie studiert. Die Universität hat Mischa seinen von der Uni zur Verfügung gestellten email-account gesperrt. Auf Nachfrage war zu erfahren, daß sich das Wehrbereichskommando 5 – nicht etwa die StA – mit einem Schreiben an den Rektor der TU Dresden gewandt hatte, in dem ausgeführt wurde, daß gegen Mischa ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Beihilfe zur Fahnenflucht im Gange ist. Weiterhin informiert das Schreiben, daß VERMUTET wird, daß Mischa über diese email „Aufrufe zu Straftaten“ verschickt habe.

Daraufhin hat der Rektor die Angelegenheit in die treuen Hände des Datenschutzbeauftragten der Universität gelegt, der den account gleich mal gesperrt hat. (je)


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