Aus Ausgabe 2-3/97 (September)

Feldjäger - Häschertruppe am Rande der Legalität

Zu den Hauptaufgaben dieser besonderen Truppengattung gehört die Jagd auf Totalverweigerer, in Amtsdeutsch "eigenmächtig Abwesende oder Fahnenflüchtige". Bei dieser Jagd verstoßen die Feldjäger regelmäßig nicht nur gegen die Grund- und Menschenrechte vieler Betroffener, sondern sie brechen auch geltendes Recht. Immer häufiger überschreiten Feldjäger im Einsatz ihre Kompetenzen. Ein Einblick von Michael Behrendt.

Kleine Geschichte der Feldjäger

Solange es Militär gibt, gibt es Menschen, die sich diesem Mummenschanz nicht unterwerfen wollen. Aus diesem Grund nimmt sich jeder Staat das Recht heraus, seine Untertanen zur Ableistung des Militärdienstes zu zwingen.

Bereits 1723 erließ der König von Preußen ein "geschärftes Edict" zur Verfolgung von Deserteuren. In diesem Edict drohte jedem Deserteur der "Spießrutenlauf" und die Hinrichtung. Genauso wurden alle bestraft, die Deserteuren halfen. 1740 gründete Friedrich der Große das erste "Feldjägerkorps zu Pferde". Zu dessen Hauptaufgaben gehörte damals neben der Suche nach Versprengten und Deserteuren die Weitergabe und Übermittlung von Befehlen und Nachrichten sowie die Leitung des Aufmarschs der Truppen und der Verkehrsdienst.

Nach dem ersten Weltkrieg schrieb Kurt Tucholsky "...Soldaten sind Mörder...", er meinte damit seine eigenen Erfahrungen, die er als Feldjäger bei den Standgerichten gemacht hatte. Im Zweiten Weltkrieg sorgten die Feldgendarmen dafür, daß die Panzer, die Artillerie, die Infanterie und deren Reserven immer an der richtigen Stelle aufmarschierten. Ohne die Feldjäger wäre Hitlers Angriffskrieg bei weitem nicht so effektiv führbar gewesen.

Ab 1943 bestand die Hauptaufgabe der Feldjäger in der sogenannten Auffangtätigkeit. Die verschiedenen Feldjägerkorps hatten entlang der Front im rückwärtigen Raum eine 20-40 Kilometer breite Pufferzone aufgebaut, durch die alle Truppenbewegungen von der Front kontrolliert wurden. Die Feldjäger beschlagnahmten dann Gerät und Waffen, steckten Verletzte und versprengte Soldaten in Auffanglager und versuchten, Deserteure ausfindig zu machen. Aus den Soldaten in den Auffanglagern wurden neue Einheiten für die Front gebildet, und die vermeintlichen Deserteure erwartete das Standgericht. Die Feldjäger überwachten also die ordnungsgemäße Durchführung der Führerbefehle "... notfalls mit rücksichtslosen Mitteln bis zum sofortigen Waffengebrauch...". Ganz nach Adolf Hitler: "Der Soldat kann sterben, der Deserteur muß sterben".

Dies führte dazu, daß mehr als 30.000 Kriegsdienstverweigerer und Deserteure ermordet und der Krieg unnötig verlängert wurde. Die Feldgendamerie des Zweiten Weltkriegs wird von den heutigen Feldjägern ausdrücklich als traditionswürdig angesehen. Die Ausbildung der modernen Feldjäger nimmt auch heute noch gern die Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg zum Vorbild und zitiert alte Nazigeneräle.

Moderne Aufgaben, undemokratisches Selbstverständnis, hartes Vorgehen gegen Totalverweigerer

In den Neunzigern versuchen die Feldjäger oft, das Image der Bundeswehr aufzubessern. Sie sind Teilnehmer bei öffentlichen Veranstaltungen der Bundeswehr und stehen in schicker Uniform stramm bei Staatsbesuchen.

Bereits 1993 berichtete tilt von einem Fall, bei dem ein Feldjäger als Skinhead getarnt eine ganze Familie mit der Dienstpistole bedrohte. Kurze Zeit später – zur Zeit des ersten großen Auslandseinsatzes der Bundeswehr in Somalia – deckte Monitor einen Skandal auf, der bis heute ungeklärt scheint. Die in Belet Huen stationierte Feldjägereinheit soll unter anderem vorläufig festgenommene Somali mißhandelt haben. Konkret wurde den Feldjägern vorgeworfen, daß sie einem 15jährigen Somali beim Verhör den Arm gebrochen hatten. Zu guter letzt versuchte die starke Truppe, Geständnisse zu erpressen, indem sie den vermeintlichen Dieben drohte, die Hand abzuhacken. Zu diesem Zweck wurde bei den Verhören anschaulich mit einem Beil gedroht.

Als jüngster Höhepunkt wurde im Herbst 1996 auf einem Truppenübungsplatz ein 19jähriger durch einen Feldjäger lebensgefährlich verletzt. Dieser feuerte fünf Schüsse auf drei Jugendliche ab, die bei einer Truppenübung Freunde besuchen wollten. Ein zweiter Jugendlicher wurde durch einen Schuß an der Wange verletzt. In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und wird voraussichtlich Anklage erheben.

In den letzten Jahren häufen sich die Angriffe gegen Totalverweigerer, Andersdenkende und -handelnde. Nicht selten kommt es zu Übergriffen, Mißhandlungen und Rechtsbrüchen von Seiten der Militärpolizei. Körperverletzung, Haus- und Landfriedensbruch sowie Freiheitsberaubung gehören zum modernen Job des Feldjägers. Eine starke Truppe!

Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär sammelt Vorfälle und dokumentiert diese. Wir möchten den geneigten Leser an dieser Stelle bitten, eventuelle Beobachtungen dort mitzuteilen. Einige Beispiele möchten wir hier abdrucken, um Euch einen Eindruck zu vermitteln.

Potsdam, 16.2.95:

Vor dem Kreiswehrersatzamt wird ein Berliner von Feldjägern ohne Angaben von Gründen festgenommen und in einem Auto abtransportiert. In der Kaserne wird nach einiger Zeit der Irrtum festgestellt. Es läuft eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung.

Magdeburg, 19.10.95:

Bei einer öffentlichen Veranstaltung zum 40jährigen Bestehen der Bundeswehr erkennen Feldjäger einen Wehrdienstgegner. Aufgrund ihres Hinweises wird der Totalverweigerer Lothar W. von der Polizei festgenommen und in Gewahrsam genommen. Der Innenminister Sachsen-Anhalts bezeichnet das Vorgehen später als "unverhältnismäßig".

Berlin, Herbst 1995:

Am Rande einer Diskoveranstaltung entdecken Feldjäger das Auto eines Fahnenflüchtigen. Als sie es näher überprüfen, kommt der Gesuchte. Mit Gewalt soll er festgenommen werden – es kommt zu einer heftigen Schlägerei.

Straßburg, 26.7.96:

Bei einer Protestaktion gegen ein öffentliches Gelöbnis in der Uckermark zerren Feldjäger einen Unbeteiligten, der als Totalverweigerer bekannt ist, von einer Mauer und werfen ihn aus zwei Metern Höhe mit dem Gesicht voran auf den Boden. Anschließend drehen sie ihm Arme und Handgelenke um. Folge des Feldjägereinsatzes: Prellungen des Schädels und des rechten Ellenbogens sowie eine Strafanzeige wegen Körperverletzung und Amtsmißbrauch. Im gleichen Zeitraum suchen Feldjäger in ländlichen Gemeinden einen Totalverweigerer durch öffentliches Bekanntmachen mit Hilfe eines Lautsprecherwagens und ermutigen Bürger zur Denunziation.

Berlin, 3.10.96:

Berliner Feldjäger dringen zusammen mit der Polizei in die Wohnung des Fahnenflüchtigen D. ein. Obwohl sie in den Räumen keine Person finden, werden ohne Durchsuchungsbefehl Bettkasten und Schränke durchwühlt. Die Eltern werden Zeugen des Vorfalls. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde wird von der Bundeswehr zurückgewiesen. Zur gleichen Zeit wird in Brandenburg bei der Suche nach einem Fahnenflüchtigen die Wohnung seiner Freundin ohne Begleitung der Polizei betreten. Weiterhin fragen die Feldjäger unter Vorgabe falscher Identitäten Angehörige, Freunde und Arbeitskollegen aus. Auch dieses Verhalten entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage.

Magdeburg, Januar 1997:

Bei der Suche nach einem Totalverweigerer informieren die Feldjäger die Nachbarschaft über einen "Verbrecher aus der linken Szene", der dringend mit Haftbefehl gesucht wird. Zugleich wird die Mutter des flüchtigen Axel K. mehrfach bedrängt und der Strom zur Wohnung abgeklemmt.

Berlin, 29.1.97:

Zwei Feldjäger erscheinen vor der Wohnung der Freundin von Norbert S. in Berlin-Köpenick. Mit zwei Polizisten dringen sie in die Wohnung ein, nehmen den Fahnenflüchtigen fest und bringen ihn in die Julius-Leber-Kaserne nach Berlin-Wedding. Als er dort eingesperrt werden soll, entsteht ein heftiges Wortgefecht, in Folge dessen die Feldjäger S. Handschellen anlegen. Dabei und als er schon in Handschellen auf dem Boden liegt, wird er von Feldjägern geschlagen und getreten. An einer Hand und besonders am rechten Auge wird S. dadurch verletzt. Nach einer halben Stunde wird er in ein BW-Krankenhaus und danach in eine zivile Klinik gebracht. Wenige Tage später wird Norbert in der Lehnitzer Kaserne dienstuntauglich geschrieben. Auch er hat Strafanzeige gestellt.


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