Aus Ausgabe 2/98 (August)

Offener Brief von Torsten Froese

geschrieben kurz nach seiner Haftentlassung


Die nachfolgenden Zeilen sind Auszüge aus einem offenen Brief von Torsten, geschrieben kurz nach seiner Haftentlassung.

[...] Die Eskalation war damit schon vorbereitet, daß neben der Anklagebank hinzugezogene Wachtmeister und Beamte der politischen Polizei zur Durchsetzung der Öffentlichkeitsbeschränkung drohend in Stellung gingen. Diese - Richterin Mickerts Befangenheit darstellenden - Abläufe ergaben die Grundlage des rechtswidrigen Haftbefehls, der mit Brutalität gegen mich durchgesetzt wurde. Mit Brutalität ist die versuchte Abführung gemeint, bei der an mir gezerrt, auf mich eingeschlagen, und ich gewürgt wurde. Dies geschah, während ich versuchte, mich mittels passiven Widerstandes den drei Wachtmeistern schwer zu machen und nicht "freiwillig" mitzulaufen. Als ich mich an einem Tisch im Korridor festhielt, wurde nach kurzer Zeit von mir abgelassen. Allerdings kamen die Wachtmeister wieder, um den rechtswidrigen Haftbefehl auszuführen. Diesmal ging ich ohne Widerstand mit. Sobald ich allerdings im Sitzungssaal anwesend war, wurde ich ergriffen und mir Handschellen angelegt. Dann wurde der Sitzungssaal geräumt, mir meine Tasche abgenommen, von hinten an den Haaren gezogen. Zu diesem Zeitpunkt verlor ich kurz den Überblick und trat gegen zwei Tische und versuchte mich loszulösen, weil die Wachtmeister immer grober wurden, sich die gesamte Atmosphäre im Sitzungssaal wegen der gewalttätigen Räumung erheblich verschlechterte.

Nach meiner Festnahme und Inhaftierung in die JVA Weiterstadt wurden einige Stimmen laut, welche meine/unsere Prozeßstrategie der nichtanwaltlichen Verteidigung kritisierten. Die Totale Kriegsdienstverweigerung ist abgesehen von der offensichtlichen zivil-militärischen Zusammenarbeit und der Zwangsdienstsituation gerade juristisch dermaßen diffizil und dazu auch noch wenig verbreitet, daß es in der BRD nur 10-12 Rechtsanwältinnen gibt, die sich im materiellen "TKDV-Recht" auskennen. Nicht alle davon sind auch wirklich gut im Sinne der TKDV-Bewegung. Deswegen wurde vor einigen Jahren das Konzept "Juristische Unterstützung für Totalverweigerer" (JUT) ins Leben gerufen, bei dem auf viele Jahre Erfahrung mit TKDV-Prozessen aufgebaut wird, um angeklagte Totalverweigerer zu unterstützen. Das sind z.B. die Erfahrungen aus der Prozeßbeobachtung und -auswertung sowie der Betreuung in der Vorbereitung, im Bundeswehr- Arrest und Knast. Die Erfahrungen stützen sich auch auf eine Urteilssammlung des "Urteils- und Informationsservice" (UrIS), in dem ca. 480 Urteile enthalten sind, und von jedem käuflich erworben werden kann.

Bei der vorliegenden Situation des 23.6.1998 wurde durch die Unterbindung der Antragstellung grundlegend mein Recht auf freie Wahl meiner Verteidiger welche in der Strafprozeßordnung und auch der europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist, unterbunden. Hier liegt die politische Brisanz des Falles, daß mit richterlicher und polizeilicher Gewalt die StPO ausgehebelt wurde. Und hier kann nicht, wie in einigen Fällen geschehen, der Vergleich mit einer vermeintlich besseren anwaltlichen Betreuung gezogen werden. Selbstverständlich waren meine Wahlverteidiger und ich durch die polizeilichen Maßnahmen und das rigorose Vorgehen der Richterin emotional angespannt. Diese Situation hätte sich aber bei einer Verteidigung durch eine/n Rechtsanwalt/ Rechtsanwältin überhaupt nicht ergeben, womit die Qualitäten der Wahlverteidiger mit RechtsanwältInnen noch gar nicht verglichen werden können. Ein Vergleich hätte erst nach der Zulassung gezogen werden können. [...]


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