Aus Ausgabe 2/98 (August)

Berlin: Haftstrafe von Caspar Bothmer nach Gnadengesuch zur Bewährung ausgesetzt


Caspar Bothmer hat im Verlaufe seiner Totalverweigerung viele Gerichtsinstanzen kennengelernt. Er wurde am 17. Mai 1996 vom AG Berlin-Tiergarten zu einer Freiheitstrafe von 6 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Die Verteidigung hatte unter anderem ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Dr. Baldus vorgelegt, der darin die allgemeine Wehrpflicht als verfassungswidrig ausweist, da die Verteidigungsfähigkeit genausogut durch eine Berufsarmee sichergestellt werden könne und deshalb die durch die Wehrpflicht entstehenden massiven Grundrechtseingriffe nicht gerechtfertigt seien. Richter Konecny konnte jedoch dem Gutachten nicht folgen, da es sich "[...] Bei der Organisation der Verteidigung (...) um eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers (handelt)." Und "[...] Hierbei dem Gesetzgeber ein sehr weiter Ermessensspielraum zu(steht)."

Das AG ließ auch die Berufung auf Art. 4 Abs. 1 GG nicht gelten, da "[...] Die Geltung staatlicher Normen (...) nicht zur Disposition einzelner gestellt werden (kann). Ansonsten würden staatliche Anordnungen ihres Sinnes entleert werden. Im übrigen hat die Weigerung zur Ableistung des Zivildienstes nichts mit der Gewissensfreiheit zu tun. [...] Er kann jedoch mit der Behauptung, er lehne den Zivildienst aus Gewissensgründen ab, da er damit gleichsam einem Beitrag zu Bedrohung, Folter und Tötung anderer leiste, nicht ernstgenommen werden, da diese Auffassung jedweder Grundlage entbehrt."
Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, da der Caspar in der Hauptverhandlung deutlich gemacht hatte, er werde auch in Zukunft Einberufungsbescheiden keine Folge leisten. Damit
Wurde ihm eine positive Prognose im Sinne von §56 Abs. 1 StGB abgesprochen.

Das LG Berlin hatte die dagegen eingelegte Berufung am 05. März 1997 verworfen. Besonderheit der schriftlichen Urteilsbegründung: Caspar´s Studium der Medizin wurde straferschwerend gewertet. "[...] Dabei fällt gravierend in das Gewicht, daß der Angeklagte im Rahmen des Zivildienstes eine Tätigkeit ablehnt, die vergleichbar auszuüben er sich nicht gehindert sieht, wenn sie seinem beruflichen Fortkommen und zur Verbesserung seiner finanziellen Situation dient."

Die dagegen eingelegte Revision wurde am 11. August 1997 vom KG Berlin verworfen, die Verfassungsbeschwerde vom BVerfG (nach jahrelanger Praxis wie erwartet) nicht zur Entscheidung angenommen.

Für Caspar war somit endgültig klar: er würde einer der Totalverweigerer sein, der eine Haftstrafe wirklich absitzen muß. Ein Haftantrittstermin war bereits bekannt: 02. Juni 1998.

Allerdings war noch ein Gnadengesuch anhängig, was zunächst die Vollstreckung hemmte. Am 26. Juni 1998 erhielt Caspar Post von der Senatsverwaltung der Justiz, die sein Gnadengesuch annahm: die Vollstreckung der Freiheitstrafe wurde gegen Zahlung von 1.000,- DM auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Dies ist wohl das erste uns bekannte mit Erfolg gekennzeichnete Gnadengesuch im Bereich Totalverweigerung überhaupt. Komisch ist dabei, daß dies ausgerechnet in Berlin geschah, dessen Justiz sich sonst eher durch knallharte Repression als durch Milde auszeichnet. Grund zur Freude für Caspar also, allerdings muß auch gesehen werden, daß dies natürlich keine Strategie gegen Haftstrafen darstellen kann, da Gnadengesuche rechtlich noch unbestimmter sind als die schon hinreichend gegensätzliche Rechtsprechung zur Totalverweigerung. Für Caspar gab´s noch am selben Tag einen Wermutstropfen: Christoph Haug wurde vom AG Berlin-Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten ohne Bewährung verurteilt. (je)

Rückblicke... von Caspar Bothmer


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