Aus Ausgabe 6/93 (Dezember)

Erneut Totalverweigerer in Goslarer Fliegerhorst-Kaserne


Nachdem im Sommer/Herbst 1992 in der Goslarer Fliegerhorst-Kaserne nacheinander zwei Totalverweigerer jeweils über mehrere Wochen arrestiert waren (Alexander von Lünen aus Bonn und Frank Buschmann aus Berlin, OU 1/92 & 1/93), war nun zum 04.10.93 erneut ein Totaler Kriegsdienstverweigerer nach Goslar einberufen worden.

Jan Steyer aus Nordholz bei Cuxhaven sollte am Montag, dem 4. Oktober, seinen Dienst im Fliegerhorst antreten. Zwar hat sich der 19-jährige in die Kaserne begeben, um dem Streß der Verfolgung durch die Feldjäger zu entgehen, wird dort jedoch jeden Befehl verweigern. Jan hatte bei der Musterung am 4.1.93 zunächst einen Antrag auf Anerkennung als sogenannter 'Kriegsdienstverweigerer' gestellt, diesen jedoch am 12.6.93 wieder zurückgezogen, da er inzwischen festgestellt hatte, daß auch die Zivildienstleistenden schon heute ganz konkret in eine zukünftige Kriegsführung mit eingeplant sind.

Zum Einberufungstermin wurden den neu ankommenden Soldaten am Goslarer Bahnhof von Jan und der Totalverweigerer-Initiative Braunschweig rund 300 "Informationen für unzufriedene Soldaten" und "Wehr Dich - Paß auf!"-Broschüren verteilt, zusammen mit einem Flugblatt, das über Jans Entscheidung informierte.

Als Jan am Montagabend, dem 4.10., 'einrückte', wurde er zunächst zweimal 'verhört'. Als er den Befehl, einen BW-Jogging-Anzug entgegenzunehmen, wiederholt verweigerte, folgte die erste vorläufige Festnahme durch Leutnant Neitemeier. Dabei wurden von Neitemeier und Oberfeldwebel Weinrich seine persönlichen Sachen durchsucht und willkürlich dies und jenes beschlagnahmt, insbesondere antimilitaristische Literatur, wie z.B. vier OHNE UNS, aber auch ein persönlicher Brief, den Jan absenden wollte. Das Bettzeug wurde ihm zunächst verweigert -Weinrich mußte dann allerdings später zurückstecken, ein anderer Soldier sah wohl ein, daß hier versucht wurde, über die Stränge zu schlagen.

Am nächsten Morgen folgte eine Pseudountersuchung beim Arzt, der Jan nahelegte, doch einen Arzt für Neurologie aufzusuchen - nach den ersten Versuchen vom Vorabend, ihn zur Stellung eines KDV-Antrages zu überreden, kam es also nun zu dem hinlänglich bekannten Versuch der Psychiatrisierung des Verweigerers.

Gegen 17:00 Uhr wurde Jan dann zum Bataillonskommandeur Maszczyk gebracht, der ihm zunächst vorhielt, er sei ein "Kommunist" und "Antidemokrat" (von der alten Schule, was...). Als Jan ihm schöne Grüße von Alex und Frank, den beiden Totis des letzten Jahres bestellt, wird Maszczyk hellhörig - und möchte erstmal wissen, wie sich das denn mit den Kontakten zu den Braunschweigern verhalte... Anschließend erfolgte die zweite "vorläufige Festnahme".

Am Mittwoch wurde dann der formelle Arrest von erst einmal 16 Tagen verhängt, auf den die beiden ersten Festnahmen angerechnet wurden - der Arrest endete also zunächst am 19. Oktober. Nach Ablauf um 14:45 Uhr wurde der nächste Arrest von 21 Tagen, welcher bis zum 8. November andauerte, nur fünf Minuten später verhängt - die Maßnahme wurde mit der Befehlsverweigerung vom 5. Oktober begründet!

Der zuständige Bataillonskommandeur Maszczyk hatte Jan weiterhin unter Zeugen mit der Verschärfung der ohnehin restriktiven Vollzugsbedingungen gedroht, sollte dieser seine Beschwerde wegen Beschlagnahmung verschiedener Literatur nicht bis zum Mittwoch Morgen um 9:00 Uhr zurückgezogen haben. Einen Eingriff in das Beschwerderecht wollte Maszczyk darin jedoch nicht sehen.

Im Anschluß an das Verfahren gegen Frank Buschmann (siehe auch Prozeß-Prozedere) fuhren noch ca. 15 Leute zur Kaserne, um dort Jan von dem Prozeß zu berichten und ein bißchen Musik und aufmunternde Laune zu verbreiten. Nach kürzester Zeit kam Maszczyk vor die Tore, um diverse Soldatenweisheiten zu verbreiten. Eine davon war, daß er eine Gewissensentscheidung gegen die Erfüllung der Wehrpflicht bestenfalls "verstehen, keinesfalls aber respektieren" könne. Aber die Krönung war dann doch Matschigs Überlegung, wer es denn hier sei, der "Druck" ausübe - die Bundeswehr oder Jans UnterstützerInnen. Originalzitat Matschig: "Überlegen sie sich mal, ob Solidarität nicht auch eine Form von struktureller Gewalt sein kann?!" Das müssen sich gewaltfreie AntimilitaristInnen von einem Soldaten fragen lassen, der Arreste am laufenden Band verhängt? Kaum zu fassen. Die spinnen, die Römer.

Zwei Tage vor dem erneuten Arrestende, am Samstag, dem 6. November 1993, führte dann die Totalverweigerer-Initiative Braunschweig in Zusammenarbeit mit den GRÜNEN aus Goslar und Cuxhaven in der Goslarer Innenstadt eine Kundgebung gegen die Arrestierung Jans durch. Im Anschluß wurde wiederum die Kaserne besucht, wiederum Musik gemacht und einiges erzählt - trotz des feuchtesten und kältesten Wetters, was zu dieser Zeit so möglich erschien.

Am Montag, dem 8. November, wurde Jan zunächst angewiesen, seine Zelle zu räumen. Anschließend versuchte man, ihm einen Spind zuzuweisen und ihm den Befehl zur Einkleidung zu geben - vergeblich, er verweigerte erwartungsgemäß auch diese Anordnung. Daraufhin wurde er erneut festgenommen und in einer Zelle arrestiert. Einen Tag später wurde dann vom Truppendienstgericht Hannover der nächste Arrest, wiederum 21 Tage, verhängt, der bis zum 28.11.93 andauern wird. Gleichzeitig wurde Jan in eine Arrestzelle verlegt, die nicht wie bisher in Richtung Straße, sondern in Richtung Kasernen-Inneres weist.

Nach Erscheinen des OHNE UNS sind also mindestens noch ein paar Tage Zeit, Jan zu unterstützen sowie an die Kasernenleitung Protest zu formulieren.

Kontakt:
Jan Steyer
z.Z. 9. / LwAusbReg 1
Arrestzelle
Marienburger Straße 100
38644 Goslar

Und ebenfalls in der Marienburger Straße sind Bataillonskommandeur Maszczyk, Kasernenkommandant Mäsch sowie Regimentskommandeur Schüler zu erreichen. Aber auch über Telefon, und zwar: 05321 / 800 81.


Die Weitergabe der Texte ist unter Hinweis auf die Quelle OHNE UNS und gegen Belegexemplar erwünscht.

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